Wir haben uns lange überlegt ob wir uns zum Thema Absicherung, Resterschließung und Nachbesserung von Routen und damit verbundenen Flexaktionen überhaupt äußern sollen. Das Thema ist eigentlich viel zu müßig und widersprüchlich, um sich darüber einen Kopf zu machen. Zumal jeder Kletterer dazu seine eigene Meinung und Ethik hat und wir eigentlich keine Lust haben, uns an der Diskussion über jeden Haken und halben Grad hin oder her zu beteiligen.
Einige Dinge in den Meinungsäußerungen im Internet und der IG-Klettern Zeitschrift Steinschlag 2/02 sind uns aber doch aufgestoßen, insbesondere weil sie zum Teil unsere eigenen Touren betreffen. Wenn Bernhard Thum beispielsweise von einer extremen Übersicherung der Routen an der Amerikanischen Botschaft spricht, so stellt sich die Frage, ob er überhaupt schon mal da war. Die Routen sind gut gesichert, so wie es sich unserer Meinung nach für Erstbegehungen in Klettergärten heutzutage gehört. Wer meint, dass er sich unterfordert fühlt, kann gerne Haken auslassen!
Die von Stefan Löw angesprochenen Probleme an der Trierer Wand sind übrigens vom Tisch und entstanden vorwiegend durch unsere Jägerkollegen und sicherlich nicht durch irgendwelche marodierenden Genussklettererhorden – die Stadtverwaltung Pottenstein hat dem Fels sogar eine entsprechende Bedeutung für den Klettersport bescheinigt und sich zusammen mit der IG für die Offenhaltung eingesetzt. Die gleichen Probleme gab es übrigens auch am Universum, welches ja nun wirklich nicht zu den überlaufenen Felsen zählt! Eine Umfrage unter Kletterern würde sicherlich ziemlich eindeutig ergeben, dass die Routen an Felsen, wie den angesprochenen Stadelhofener und Hetzendorfer Wänden, Betzensteiner Sportkletterwand, Amerikanische Botschaft, Trierer Wand etc. nicht als überflüssig gelten, sondern im Gegenteil gern und oft beklettert werden. Ein stark frequentiertes Klettergebiet, wie die Fränkische Schweiz braucht solche vernünftig abgesicherten Routen. Wir sehen zwar auch die Probleme der Entwicklung des Klettersports zu einer Art Massentourismus, aber die Sicherheit der Routen steht für uns im Vordergrund. Das Frankenjura ist nicht Sachsen. Hier gibt es (Gott sei Dank!) keine vorgeschriebenen Mindestabstände für Bohrhaken. Die Routen werden von oben eingerichtet und somit steht einer vernünftigen Absicherung nichts im Wege, außer das Ego des Erstbegehers.
Unverantwortlich finden wir von oben erstbegangene Routen, die absichtlich gefährlich eingebohrt werden. Auch haben solche Touren für uns keinen höheren sportlichen Wert. Ein solches Vorgehen befriedigt nur das Ego des Erstbegehers, der mal wieder allen zeigt wie kühn er ist. Dabei hat er es leicht! Wann es ihm zu heftig wird, kann er selbst bestimmen. Dann noch alles schön aus dem Abseilsitz einüben, vor der heldenhaften Erstbegehung. Ein Wiederholer, der womöglich versucht die Tour onsight zu klettern, riskiert da wesentlich mehr!
Wenn Stefan Löw im Steinschlag schreibt, dass er keine konsumgerechten Kletterautobahnen bauen will, dann ist das sein gutes Recht. Eine Diskussion über seine Routen sollte er sich aber genau wie jeder andere gefallen lassen. Wobei Stefans Routen ja grundsätzlich gut eingebohrt sind, allerdings auffälligerweise vor allem die Schwereren! Und damit kommen wir zum Knackpunkt der ganzen Diskussion:
Wer die Touren im Frankenjura kennt, wird feststellen, dass die Athleten, die da im 9ten oder 10ten Grad herumzerren, den Haken oft direkt am Hintern haben. Zudem sind die Routen so steil, dass auch bei weiten Stürzen keine Gefahr besteht. Wir finden, dass auch leichtere Routen (besonders bei neuen Erschließungen) in Klettergärten heute so abgesichert sein sollten, das sie ohne größere Gefahren geklettert werden können und zwar auch, wenn man nicht 1-2 Grade über den Dingen steht. Wer es drauf hat, dem fällt es natürlich leicht, 5er, 6er und 7er „großzügig“ einzurichten. Aber was ist damit erreicht? Uns liegt mehr daran, dass die Wiederholer ebenfalls Spaß beim Klettern haben, statt Gefahr zu laufen sich die Knochen zu brechen. Wir glauben, dass die absolute Mehrheit der Kletterer da mit uns einer Meinung ist. Wenn das Fluggelände entsprechend gut ist, kann auch schon mal ein netter Runout dabei sein. Der sollte aber nicht auf dem Boden oder einem Absatz enden! Das in früheren Jahren die Hakenabstände teils weiter gewählt wurden als heute, hat übrigens nicht unbedingt mit größerer Kühnheit der Kletterer zu tun sondern mit der Tatsache, dass die Löcher von Hand gebohrt werden mussten. Wer schon mal eine halbe Stunde auf einen Bohrmeißel eingedroschen hat, der weiß, dass man da lieber mal einen Haken weniger setzt.
Die Auseinandersetzung über Nachrüstung von bestehenden Routen und um Neutouren und sogenannte „Resterschließung“ wird leider zur Zeit sehr unsachlich geführt. Die Fronten stehen sich mal wieder unversöhnlich gegenüber: Rausflexer gegen Einbohrer. Seit der leidigen Magnesiadiskussion oder dem Pfälzer Bohrhakenstreit hat sich anscheidend nichts geändert. Deshalb appellieren wir an die Kletterer im Frankenjura (und natürlich auch anderswo), etwas mehr aufeinander zuzugehen. Die einzelnen Standpunkte müssen sich annähern oder zumindest gegenseitig akzeptiert werden, um sowohl solche Possenstücke, wie zum Beispiel am Kühlochfels als auch der Stadeltenne in Zukunft zu vermeiden! Denn bestehende klassische Routen einfach ohne Nachfragen „nachzurüsten“, ist das eine Extrem; einfach Routen raus zu flexen, weil sie Einzelnen nicht gefallen, genau das andere! Wir finden, dass niemand das Recht hat Touren, die ihm nicht in den Kram passen, wieder abzuflexen. Vielmehr sollte die IG-Klettern, quasi als übergeordnete Instanz, ein Verfahren finden hirnlose Bohraktionen „rückgängig“ zu machen. Zumindest sollte versucht werden, den Erstbegeher anzuhören, bevor Touren wieder abgebaut werden. Auch kann man entsprechende Maßnahmen (wie auch über das Nachbessern von Routen), zum Beispiel auf der Jahreshauptversammlung zur Abstimmung stellen. Klingt zwar nach Vereinsmeierei, aber bei Uneinigkeit hilft immer noch besser eine Abstimmung, als die Selbstjustiz Einzelner.
Etwas mehr Toleranz im Umgang miteinander sollte das Aufschaukeln der Emotionen, wie wir es gerade beobachten können, eigentlich verhindern. Die Forderung nach einer guten Absicherung, auch von einfacheren Routen, droht unserer Meinung nach nicht die Wurzeln des Freikletterns zu zerstören. Uns liegt vielmehr daran, dass alle Kletterer ohne größere Gefahren ihrem Hobby nachgehen können. Es ist nicht einzusehen, dass dies im Frankenjura oft erst ab dem 7ten Grad aufwärts der Fall ist. Hier sollte man sich mal die Klettergebiete im Süden Europas zum Vorbild nehmen. Für traditionelle Routen bleibt dabei sicher noch genügend Platz. Nur sollten die sogenannten Traditionalisten auch begreifen, dass sie nicht die Mehrheit der Kletterer im Frankenjura repräsentieren. Es gibt im Frankenjura immerhin einige tausend Routen und Hunderte von Felsen, so das eigentlich jeder – Genusskletterer, Alpinist, Hardmover oder Softi – hier glücklich werden sollte…
Auf ein besseres Miteinander in der Zukunft.
Karsten Oelze, Klaus Urmetzer, Joschi Schulz, Karin Anders, Arno Dimler, Hary Röker
Und wer weiß wie viele noch …
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