Zusammenfassung der Bohrhakenuntersuchung der Sicherheitsforschung (SiFo) des DAV an der Ammerthaler Wand vom 14. November 2020.
Der Schwerpunkt der Untersuchung lag auf Haken, welche ähnlich dem Unfallhaken, mit Ausstand – also nicht felsbündig – gesetzt waren. Getestet wurden dabei sowohl Zwischen- wie auch Umlenkhaken.
Alle mit Ausstand gesetzten Haken, die geprüft wurden, erreichten bei den radialen Belastungsversuchen Höchstzugkräfte, die oberhalb der Normanforderung DIN EN 959 (radial 25 kN) lagen. Anzumerken ist diesbezüglich jedoch, dass der Unfallhaken als gemeinsamer Umlenkpunkt von mehreren, sehr beliebten Routen hochbelastet und frequentiert war und die getesteten Haken vermutlich weniger Lastwechsel bzw. Belastungen ausgesetzt waren.
Nach Mitteilung der Polizei an die SiFo konnte durch ein metallurgisches Gutachten ein Materialfehler als Ursache für den Hakenbruch ausgeschlossen werden.
Die Firma Salewa, als Hersteller des Unfallhakens, hat mit Haken des gleichen Typs Simulationsversuche durchgeführt. Bei den Dauerlastversuchen wurde ein Belastungsmodell mit Werten zwischen 0,6 und 1,6 kN gewählt. Das entspricht einer Belastung wie sie beim Abseilen auftritt. Höhere Belastungsstufen, wie etwa bei Topropestürzen, wurden dabei nicht berücksichtigt. Der Hakenausstand war bei diesem Versuch ~12 mm, der Hebelarm betrug ~32 mm. Die Simulationsversuche ergaben, dass sich ein korrekt felsbündig gesetzter Haken im Bereich einer unendlichen Lebenserwartung befindet. Ein mit Ausstand gesetzter Haken befindet sich dagegen deutlich im Bereich der endlichen Haltbarkeit. Eine überschlägige Berechnung mit allen Unabwägbarkeiten ergibt, dass ein mit Ausstand gesetzter Haken ab ca. 3100 Abseilvorgängen brechen kann. Bezogen auf den Unfallhaken, der 2002 bei der Erschließung der Wand gesetzt wurde, kommt dies einer Abseilbelastung an jedem zweiten Tag gleich.
Zusätzlich wurden drei weitere Haken getestet; zwei aufgrund fraglicher Felsqualität und einer wegen kritischer Positionierung. Der als fehlerhaft positioniert eingestufte Haken war an einer stark überhängender Stelle nicht senkrecht zur Felsoberfläche, sondern horizontal gesetzt. Bei diesen drei Haken kam es durch Felsversagen zum Hakenausbruch. Dabei wurden Auszugswerte zwischen 6 kN und 10 kN ermittelt, also Werte die weit unter der Normanforderung von 25 kN liegen.
Nach Ansicht der SiFo besteht dringender Sanierungsbedarf bei sehr beliebten und somit häufig bekletterten Touren, deren Umlenkpunkt nur aus einem mit Ausstand gesetzten Verbundhaken besteht. Zudem muss beim Setzen von Haken immer die Gesteinsqualität berücksichtigt werden. Außerdem ist die korrekte Positionierung von Verbundhaken zu beachten. Diese müssen, auch in stark überhängendem Gelände, senkrecht zur Felsoberfläche gesetzt werden.
Quelle: Sicherheitsforschung, Bundesverband Deutscher Alpenverein
Hallo zusammen
Es handelte sich um einen Unfall beim ABLASSEN und getestet hat „Salewa“ eine Belastung beim ABSEILEN.
Das wäre so doch nicht repräsentativ.
ABSEILEN:
Eine Person seilt sich selbstständig an zwei Seilsträngen ab. („…zwei- bis dreifache des Körpergewichts…“ gem. BergUndSteigen 4/2000).
ABLASSEN (wie im Toprope):
An einem Seilstrang hängt der Kletterer, am anderen Seilstrang zieht der Sichernde, was eine Summierung der Kräfte (abzüglich Reibungsverluste) am Umlenkpunkt ergibt.
Mein Verständnis:
Das Ablassen erzeugt eine höhere Belastung als das Abseilen und dem Bericht nach hat „Salewa“ demnach zu geringe Kräfte beim Dauertest verwendet.
Habe ich hier einen Gedankenfehler, oder liege ich mit meiner Annahme richtig?
Danke und Gruss
Christian Häuser
Hallo Herr Häuser, Sie haben mit Ihren Ausführungen natürlich recht. Wir haben zwar der Firma Salewa via SiFo einige Haken für die Simulationsversuche zur Verfügung gestellt, auf die Versuche selbst hatten wir aber keinen Einfluss. In meinem Artikel weiße ich explizit darauf hin, dass Simulationsversuche mit einer niedrigeren Belastungsstufe, wie sie beim Abseilen auftritt, durchgeführt wurden und nicht mit einer höheren wie sie etwa beim Ablassen oder im Toprope entsteht.
Vollständig repräsentativ bezogen auf das Unfallereignis sind die Simulationsversuche also nicht. Das Ergebnis der Simulationsversuche zeigt aber sehr deutlich, dass die „Lebenserwartung“ eines mit Ausstand gesetzten Haken unter einer schon geringen Dauerbelastung dramatisch sinken kann. Und das war es, was letztendlich zu beweisen war.
Jürgen Kollert
Bei Christian Häuser handelt es sich nicht um einen Gedanken- sondern um einen Lesefehler. Die von Jürgen Kollert beschriebenen Salewa-Versuche bewegten sich zwischen 0,6 und 1,6kN. Mal auf altdeutsch übersetzt, es wurde mit 60kg bis 160kg gearbeitet. Ein 100kg Kletterer braucht, die Reibung am Haken berücksichtigt, beim Ablassen ein Gegengewicht des Sichernden von ca 60kg. Das ergibt dann die Hakenbelastung von 1,6kN. Also alles okay. Beruhigend zu wissen, ein korrekter felsbündig gesetzter Haken ist im Bereich einer unendlichen Lebenserwartung.
Immo Engelhardt, bei Christian Häuser liegt weder ein Gedanken noch ein Lesefehler vor und er hat völlig richtig auf den Unterschied zwischen Abseilen und Ablassen hingewiesen.
Das was sie schreiben hat jedoch nichts mit dem vorliegenden Versuch zu tun. Ja ihre Kräftesumme stimmt, aber sie vernachlässigen die Dynamik im System. Kraft = Masse x Beschleunigung. Deswegen können wir eben nicht sagen: 2 Kletterer, zusammen 160kg. In ihrem Beispiel von 2 Kletterern und der Dynamik des Ablassvorgangs wären die Kräfte auf den Umlenker deutlich höher als 1,6kN.
Die genannten 0,6-1,6kN des Belastungsversuchs werden vermutlich die Amplitude des Dauerschwingversuchs sein. Ich vermute mal für einen Normkletterer (80kg) wurde konservativ das 2-fache Körpergewicht für den Abseilvorgang gewählt um so. Die 0,6 kN dürften eine dynamische Entlastung beim „Wippen“ des Abseilvorgangs sein.
Es wurden also am Ende das geringstmögliche Belastungsmodell gewählt (AbSEILEN, mit 2-fach, statt 3-fachen Gewicht als maximum.). Um zu zeigen, dass der Haken brechen kann.
Ich wollte hier jetzt niemanden angreifen. Aber jemanden Fehler zu unterstellen (die nicht da sind) und dann selber eine inhaltlich doch ziemlich falsche Erklärung zu liefern konnte ich jetzt so nicht stehen lassen.
Die Belastung beim Abseilen ist in der Realität dennoch immer geringer als beim Ablassen.
Auch wenn man gerne mit Sicherheitsmarge von 2-3KN Belastung auf den Fixpunkt beim Abseilen spricht.
Der Einwand vom Christian ist prinzipiell schon richtig, ähnlich wie beim Abseilen, kann natürlich auch beim Ablassen durch Bewegungsenergie die Kraft auf den Fixpunkt deutlich höher werden als die reine Gewichtskraft und gegengerichtete Sicherungskraft, die sich natürlich beim Ablassen addieren (abzüglich Reibung, klar).
Da bei einem „Sturz“ ins Toprope Seil bereist bei Sturzfaktor 0 mindestens 2*m*g für den Fangstoß gilt, ist die von Salewa getestete 0,6-1,6KN Spanne sehr konservativ.
Gerade wenn an einem Umlenker Toprope geklettert und auch ab und zu leicht gestürzt wird, müssten leicht Werte am Umlenker von mindestens 2,5KN erreicht werden.
Die Diskussion ist fachlich korrekt und wichtig. Allerdings theoretischer Natur. Die Schlussfolgerung für die Praxis muss unabhängig davon lauten, dass Haken mit einem Ausstand als kritisch betrachtet werden müssen. Wenn er bei 0,6 bis 1,6KN unsicher ist, dann erst recht bei 2 oder 3KN pro Lastwechsel und darf keines Falls als absoluter Fixpunkt angesehen werden.
Bleibt noch alle Beteiligten für die unzähligen Arbeitsstunden und die professionelle Arbeit zu danken die hier geleistet wurde und auch weiterhin in die Sanierung fragwürdiger Haken fließen wird.
Vielen Dank und bleibd Gsund!
Wenn man den Bericht von Jürgen Kollert verständig liest, dann geht daraus hervor, dass ein wie beschrieben falsch gesetzter Haken durch einfache Belastung beim Abseilen, Ablassen oder einfach Ruhen allein durch das Körpergewicht eine Belastung erfährt, die ihn überschlägig beim 3100sten Mal zum Brechen bringen kann. Wenn dann noch alle möglichen Dynamiken dazukommen, die Lars Justa vermutet, dann bricht er halt eher, aber er bricht. Das weiter zu theoretisieren ist möglich, letztlich aber irrevelant. Der Mutmaßung, es wurden mit 0,6 bis 1,6kN ungeeignete Versuchswerte verwendet, muss widersprochen werden. Es sollte ja von den Fachleuten von Salewa und der SiFo gerade gezeigt werden, dass selbst diese niedrigen Werte zum Bruch führen. Oder aus der Sicht des Haken gesprochen, es ist ihm die Fachsimpelei Ablassen oder Abseilen schlichtweg egal, er bricht einfach bei beschriebener Dauerbelastung.
Im übrigen habe ich die Firma Austrialpin, Marktführer der betroffenen Verbundhaken, voriges Jahr schon angeschrieben, sie möge die Kerbungen nicht bis zur Öse machen, da sie so wie Sollbruchstellen wirken können. Bei den original Bühlern war das nicht der Fall.
Tja, da braucht man kein Sicherheitsingenieure zu sein, um sich vorzustellen was das für Haken bedeutet, deren Öse nach oben zeigt.